NDR – Nach Ostsee-Sturmflut: Tauchgang zu den Seegraswiesen

Die Sturmflut an der Ostsee hat an den Küsten des Landes tonnenweise Seegras angespült. Die Unterwasser-Wiesen zählen zu den wichtigsten Lebensräumen des Meeres. Ein erster Tauchgang nach dem Sturm.

„Gehirnfrost“ heißt es umgangssprachlich, wenn der Kopf einzufrieren scheint – also zum Beispiel, wenn ein zu kaltes Eis den Gaumen passiert. Oder eben bei der Ankunft am Meeresboden der Ostsee vor Fehmarn (Kreis Ostholstein) an diesem ungemütlichen Novembervormittag. Wassertemperatur: 9 Grad Celsius. „Der Tauchgang heute war nicht ganz einfach, neben der schlechten Sicht ist es vor allem die Kälte am Kopf. Wenn die Kopfhaube mit kaltem Wasser voll läuft, bekommt man Gehirnfrost und der Körper braucht einige Minuten, bis er sich daran gewöhnt“, sagt Meeresbiologin Jana Willim.

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Seegras ist ein wertvoller CO2-Speicher

Seegraswiesen sind nicht nur ein wichtiger Lebensraum für etliche Tierarten. Ihre Wurzeln dienen als Kohlenstoffdioxid-Speicher mit großer Kapazität. Mehrere Megatonnen CO2 nehmen sie unter dem Boden der Ostsee in Schleswig-Holstein auf einer Fläche von rund 145 Quadratkilometern auf. Das ist 35 mal mehr Absorption als die gleiche Fläche Regenwald.

Auch durch Überdüngung gingen in der Ostsee laut Reusch im vergangenen Jahrhundert 60 Prozent der Seegraswiesen verloren – vor allem, weil die Pflanzen durch das Nährstoffüberangebot zu wenig Licht erreichte. „Die Landwirtschaft hat schon viel getan, aber seit einigen Jahren stagnieren die Einträge leider. Und dann kommt eben die Erwärmung dazu, durch die auch mehr Nährstoffe freigesetzt werden“, erklärt Reusch.

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Herausforderung beim Tauchgang: Schlechte Sicht, viel Seegras

Für den heutigen Forschungstrip haben sich die Vorzeichen durch den Sturm allerdings radikal geändert. Wenn sich die Frauen gleich rückwärts aus dem Schlauchboot fallen lassen, wird sich zeigen, wie viel Seegras die Flut überhaupt noch übrig gelassen hat. Am Meeresgrund ist die Sicht schlecht, kaum eine Armlänge weit können die Taucherinnen sehen. Unter Wasser orientieren sie sich an ausgelegten Maßbändern und Bojen. Willim beobachtet ungewöhnlich viel aufgewirbeltes Sediment – wahrscheinlich wegen des Sturms. Aber: Die Wiesen sehen gut aus. „Der Wiese unten sieht intakt aus, so wie wir uns das für diese Jahreszeit vorstellen. Sturmschäden konnte ich keine erkennen, die Pflanzen sind noch gut verwurzelt“, berichtet Willim nach dem Auftauchen.

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