Die Sprecher des Naturschutzbundes Nabu, Ingo Ludwichowski, und der Sprecher des Landessportfischerverbandes, Johannes Radtke, streiten über den Nationalpark Ostsee.
Kommt der Nationalpark Ostsee?
Ingo Ludwichowski: Ich hoffe es.
Johannes Radtke: Ich glaube nicht.
Was haben Sie dagegen?
Radtke: Es gibt keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass sich durch einen Nationalpark der Zustand der Ostsee signifikant verbessern wird. Wie auch? – die echten Probleme, die für den schlechten Zustand verantwortlich sind, werden gar nicht angegangen. Hinzu kommt, dass in einem Nationalpark der Bund Regelungen festlegen kann, ohne jede regionale Mitsprache. Was da auf uns zukommt, lässt sich heute nicht absehen – und das ist ein Problem.
Was sind die Vorteile eines Nationalparks?
Ludwichowski: Niemand behauptet ernsthaft, dass Nationalparks wie der im Wattenmeer keinen positiven Effekt auf die Umwelt haben. Entscheidend ist aber, dass ein Nationalpark besser als zentrale Anlaufstelle alle Interessen mit einbeziehen kann – auch die von Tourismus, Wassersport und Fischerei.
Wie meinen Sie das?
Ludwichowski: Ohne einen Nationalpark sind die Kompetenzen für Schutzgebiete zwischen drei Ministerien und diversen untergeordneten Behörden verteilt. Niemand kann so notwendige Maßnahmen zentral umsetzen, niemand wird adäquat beteiligt.
Aber ganz praktisch: Wo würde die Ostsee stärker geschützt als jetzt?
Ludwichowski: Vor allem in den Nullnutzungszonen, die mehr als die Hälfte der Fläche einnehmen sollten. Dort regeneriert sich das gesamte Ökosystem. Zudem können sich die Fischbestände erholen. Dafür liegt die Verantwortung beim Land.
Radtke: Aber das kann das Land auch jetzt schon. 95 Prozent der Flächen, die das Umweltministerium als Gebietskulisse für einen Nationalpark Ostsee benannt hat, sind bestehende Schutzgebiete. Mit dort bestehenden Regularien ist es absolut möglich, die Natur stärker zu schützen, wo es nötig ist. Auch eine Vernetzung der Gebiete wäre möglich. Das Land hat alle Werkzeuge im Koffer, setzt sie aber teilweise nicht ein. Statt dessen soll ein neues Konstrukt mit viel Bürokratie entstehen, das niemand braucht.
Ludwichowski: In den Schutzgebieten ist die Fischerei bislang kaum eingeschränkt. Keine küstennahen Schutzgebiete in der Ostsee haben Nutzungsauflagen. Einen effektiven Schutz gibt es in Vogel- und Flora-Fauna-Habitat-Schutzgebieten nicht. Das muss sich bessern.
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