Fehmaraner Landwirt schreibt Brief an Minister Goldschmidt

Sehr geehrter Herr Minister Goldschmidt,

ich bin Fehmaraner und vom geplanten Nationalpark direkt betroffen. Ich war bei der SPD Veranstaltung in Heiligenhafen am 12.4.23, bei Sie zu Gast waren und uns die Angst vor einem Nationalpark nehmen wollten. Meine Frau, unsere beiden Kinder, 13 und 16 Jahre alt, und ich wohnen in Wenkendorf nur 1,5 km entfernt von der Ostsee. Wir bewirtschaften einen landwirtschaftlichen Betrieb in der 6. Generation. Ein Familienbetrieb mit Ackerbau, bewusst nicht ökologisch, Sauenhaltung mit Ferkelproduktion im geschlossenen System, Vermietung von Ferienwohnungen, also Urlaub auf dem Bauernhof, und produzieren Strom aus Wind und Sonne. Ein kleiner Betrieb, breit aufgestellt, aber keine industrielle Landwirtschaft. Eigentlich so, wie es von vielen gewünscht ist.

Unsere Insel ist einer der schönsten Orte in Deutschland und es ist klasse, wie die Landwirtschaft, der Tourismus, Wassersport und auch der Naturschutz hier harmonieren. Meiner Meinung nach gibt es in Deutschland keine andere Insel, die das so gut vereint. Wir wohnen direkt am Naturschutzgebiet „Nördliche Seeniederung“. Dieses ist aus Flächen entstanden, die ackerbaulich nicht sehr interessant waren und Stück für Stück von der Stiftung Naturschutz erworben wurden. Auch unsere Familie hat dort solche Flächen an die Stiftung Naturschutz veräußert.

Im Nachhinein ärgere ich mich sehr darüber, wenn ich jetzt von Ihnen höre, als sie gefragt wurden, warum die Lübecker Bucht nicht mit einbezogen wurde. Ihre Worte waren “…es ist erstmal ein Vorschlag. Wir haben uns angeschaut, wo bereits Schutzgebiete sind, die mit einbezogen werden könnten.“ Jetzt dürfen wir dafür büßen, dass wir schon die ganze Zeit den Naturschutz vor der Tür hatten. Es zeigt sich mal wieder: Wehret den Anfängen.

Im Übrigen ist das Naturschutzgebiet in einem sehr fragwürdigen Zustand. Es ist schon sehr viel Geld hineingesteckt worden. Projekte, wie „Bambino“, das sich auf die Fahnen geschrieben hat, die Rotbauchunke hier anzusiedeln, sind gescheitert. Es sollte die Nachtigall Fehmarns sein, sie ist nicht mehr zu hören. Teilweise war dort im Gebiet so viel Weißdorn aufgeschlagen, dass sich dort kein Wild mehr wohl fühlte.

Unsere Ackerflächen liegen direkt am Naturschutzgebiet, und wir haben jetzt schon die größten Probleme mit Graugänsen und Nonnengänsen, Schwärme von 3.000 Nonnengänse sind keine Seltenheit. Für uns ein riesiger Schaden, sie fressen sich bei uns satt und verkoten die Binnenseen im Naturschutzgebiet. Baden würde ich da nicht. Eine Vergrämung der Gänse von unseren Flächen würde mit einem Nationalpark vor der Tür nicht einfacher werden.

In Heiligenhafen sagten Sie, wir wären ja auch selber schuld, wir düngen unsere Flächen ja auch so gut, dass wir die Gänse praktisch anziehen. Da gehe ich jetzt nicht näher drauf ein, das ist Ihnen bestimmt nur so rausgerutscht. Ich halte Sie für einen sehr intelligenten Mann und habe auch Respekt vor Ihnen, auch vorher schon, als Sie Staatssekretär waren. Ich würde nie persönlich werden, auch nicht gegen die Grünen, aber sie machen es uns nicht leicht hier.

Jeden Tag wird hier „eine neue Sau durchs Dorf getrieben“. Wir haben die riesige Baustelle der Beltquerung vor der Tür, Sundquerung und Hinterlandanbindung nicht zu vergessen. Ausgleichsflächen dafür werden größtenteils auf unserer Insel geschaffen, was nicht unbedingt fair ist, da ja nicht nur Fehmarn selbst davon profitiert.

Bei der Windkraft und dem Deichbau ist es genauso. Der geplante Flügeldeich von Westermakelsdorf bis Wenkendorf ist so geplant, dass eine große Anzahl von Ackerflächen ausgedeicht werden. Der Deich wird sehr weit entfernt von der Küste sein, in Wenkendorf endet er direkt hinterm Dorf, also sehr direkt hinterm Dorf. Es ist zu wenig Geld da, wichtig ist der Schutz der Menschen. Was mit den Flächen vorm Deich passiert, ist ja nur logisch. So wird Stück für Stück dem Naturschutz dazugeschlagen.

Die Entwässerung der Flächen und auch Ortschaften wird jetzt schon erschwert. Gräben dürfen wegen des Naturschutzes teilweise nur einseitig geräumt werden. Aber es gibt Naturschutz und es gibt welche die wirklich die Natur schützen, und das sind eigentlich wir hier vor Ort. Wir kennen unsere Natur am besten, weil wir mit der Natur leben und als Landwirte auch von ihr abhängig sind.

Wir wissen ganz genau, was hier los ist. Allerdings müssen wir auch von etwas leben und meiner Meinung nach werden wir durch einen Nationalpark dadurch sehr eingeschränkt. Unsere Insel überaltert sowieso schon, Ortschaften bluten aus, Schulen werden geschlossen. Viele Auswärtige zieht es hierher, die ihren Lebensabend hier verbringen wollen. Das ist in Ordnung, aber wirtschaftlich bringt uns das nicht voran. Und wie soll uns da ein Nationalpark helfen, genau das Gegenteil ist der Fall.

Bauprojekte auf der gesamten Insel werden Schwierigkeiten bei der Genehmigung haben. Ein Nationalpark ist nun einmal das am höchsten zu schützende Gut, mehr geht nicht. Und deswegen werden sich Firmen oder ähnliches hier nie ansiedeln, hier Genehmigungen zu bekommen, wird immer einmal schwerer durch den Nationalpark werden.

Arbeitskräfte im Tourismus und in der Landwirtschaft sind auch jetzt schon sehr schwer zu bekommen. Warum sollten hier auch noch junge Menschen leben wollen, wenn es keine Aussicht auf Arbeitsplätze gibt. Der Nationalpark wird hier nicht viele Arbeitskräfte schaffen aber viele vernichten.

Um den Tourismus selbst mach ich mir im Hinblick auf den Nationalpark gar keine Sorgen. Sie sagen ja sogar, dass ein Nationalpark Touristen anzieht, aber ganz ehrlich, diese Art von Touristen wollen wir gar nicht. Wir sind stolz auf unsere Urlauber, die auch jetzt schon unsere Insel wertschätzen. Die wollen wir behalten, und dazu gehören Camper, die Campingplätze werden es mit einem Nationalpark vor der Tür nicht einfacher haben.

Segler und Wassersportler, auch Segelboote haben Motoren. Urlaub auf dem Bauernhof, dafür müssen wir aber noch Bauernhöfe haben. Angler, für uns auch immer gut für die Vermietung in der Nebensaison. Ich könnte vieles mehr aufzählen. Sämtliche Häfen auf Fehmarn würden ihren Charme verlieren, der größte Teil unseres Getreides wird über die Häfen in Burgstaaken und Heiligenhafen verschifft, wenn es mal zu einer Fahrrinnenvertiefung oder auch nur Erhaltung kommen sollte, wird das mit einem Nationalpark vor der Tür nicht einfacher.

Lassen Sie uns unsere Insel noch lebenswert sein, auch wenn sie den Nationalpark Ostsee schon im Koalitionsvertrag ihrer Partei und der CDU stehen haben, und auch wenn ihr großes Ziel ein durchzogenes, zusammenhängendes Netz von Naturschutzgebieten durch Deutschland oder sogar Europa ist.

Auf unserer kleinen Insel sind schon weit über 1300 ha unter Naturschutz, das sind fast 10 Prozent der Gesamtfläche. In Deutschland sind es insgesamt nur 3,63 %. Hier im Norden hätten wir, neben dem Wattenmeer und Mecklenburgischer Bodden dann schon drei der 16 Nationalparks, und dazu noch mit Abstand die Größten.

Nationalpark bedeutet lebenslänglich, mit all seinen Nachteilen, es wird nie eine Aufweichung geben, auch nicht bei Erfolg. Die Insel Fehmarn ist in der letzten Zeit schon genug gebeutelt worden. Wie unserer Bürgermeister schon sagte, es ist nicht fair jetzt sich noch mit Workshops zum Nationalpark beschäftigen zu müssen, wir haben zurzeit sehr viele „Baustellen“ mit denen sich beschäftigt werden muss.

Ein sehr kurzer Zeitraum angesetzt – bis zum Ende des Jahres soll alles abgewogen sein. Ein Schelm, wer böses dabei denkt. Aber wenn‘s um Ausweisungen von Naturschutzgebieten geht, geht es immer schnell, wenn‘s aber wirklich um Naturschutz geht, dauert es ewig.

Sehr anzuerkennen, dass jetzt endlich Geld zur Verfügung steht, für die Entsorgung der Munition der Ostsee. Trotzdem wird erst 2025 damit angefangen. Es gibt wirklich keine guten Argumente für einen Nationalpark bei uns, außer natürlich, wenn sie am Ende wieder sagen, der Zustand der Ostsee ist jämmerlich. Das ist mir zu einfach und eigentlich immer das letzte Argument, wenn einem die Argumente ausgehen. Wenn es wirklich um die Ostsee gehen würde, warum hat man nicht schon früher Maßnahmen eingeleitet?

Zeigen Sie uns, dass Sie auch andere Wege kennen, etwas zu schützen. Zeigen Sie uns, dass es nicht nur um Macht und Ideologie geht. Zeigen Sie uns, dass Sie nicht den einfachsten Weg über den Nationalpark gehen, und dann sagen: „Ich habe ja alles gemacht“. Der Weg ohne Nationalpark ist schwieriger, aber zeigen Sie uns, dass Ihnen die Ostsee am Herzen liegt und nicht nur ein weiterer Nationalpark.

Natürlich ist die Ausdehnung noch nicht final. Es soll Nullnutzung-, Entwicklungs-, und Pflegezonen geben. Ich habe großen Respekt vor Ihnen, Sie haben es geschafft, dass sich sogar schon jetzt bei vielen der Nationalpark in den Kopf gebrannt hat. Man beschäftigt sich schon mit dem „Wie“ aber nicht mehr mit dem „Ob“. Gibt es noch Chancen, sich in irgendeinem Bereich zu entwickeln? Oder haben wir dann einen Stillstand? Sollen die nächsten Generationen nur noch den Bestand verwalten?

Ich sage noch einmal ganz deutlich: Nein, wir wollen den Nationalpark nicht, auf keinen Fall! Wenn für den Menschen kein Platz mehr ist, brauchen wir denn überhaupt noch Natur-, und Klimaschutz? Sehr gerne lade ich sie, ihre Frau und ihre drei Kinder zu einem Kurzurlaub bei uns auf dem Bauernhof ein, und zeige Ihnen unsere tolle Insel mit allen ihren Vorteilen, ihren Nachteilen und Chancen.

Mit freundlichen Grüßen

Tönnis Marquardt