Überdüngung und Sauerstoffmangel sind bekannte Bedrohungen für das ökologische Gleichgewicht in der Ostsee, das durch den Klimawandel zunehmend unter Druck gerät. In diesem Zusammenhang sind große Salzwassereinströme aus der Nordsee von besonderer Bedeutung. Sie transportieren sauerstoffreiches Wasser in die tieferen Wasserschichten der Ostsee und wirken Sauerstoffarmut oder auch sogenannten Todeszonen entgegen. Forschende der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) haben in einer aktuellen Studie nun erstmals nachgewiesen, dass es zwei verschiedene Arten von Salzwassereinströmen in die Ostsee gibt. Sie entstehen durch unterschiedliche Wetterlagen und Strömungsmuster. Diese bestimmen die Zusammensetzung der jeweiligen Zuflüsse und wirken sich unterschiedlich auf die Verteilung von Salz- und Sauerstoffgehalt in der Ostsee aus. Damit ist nun besser verstanden, warum nicht jeder große Salzwassereinstrom das Tiefenwasser der Ostsee gleichermaßen mit Sauerstoff anreichert. Die neue Studie wurde kürzlich in der Fachzeitschrift Nature Communications Earth & Environment veröffentlicht.
Zwei Typen von Major Baltic Inflows identifiziert
Große Salzwassereinströme in die Ostsee – die sogenannten Major Baltic Inflows (MBIs) – sind in der Wissenschaft seit Jahren gut dokumentiert. Studien zeigen: Sie entstehen meist, wenn kräftige Westwinde auf längere Ostwindphasen folgen. Doch warum solche gewaltigen Wassermengen aus der Nordsee teilweise relativ geringe Mengen an frischem Sauerstoff bis in die Tiefe der Ostsee bringen, war bislang ein Rätsel.In ihrer neuen Studie konnten Dr. Ulrike Löptien, Professor Matthias Renz und Dr. Heiner Dietze vom Institut für Informatik und vom Institut für Geowissenschaften an der CAU dieses Rätsel nun mit einem Methodenmix aus modernen Verfahren des Maschinellen Lernens und numerischen Ozeanzirkulationsmodellen lösen. Konkret setzen die Forschenden auf sogenanntes Unsupervised Learning, also maschinelles Lernen ohne vorgegebene Kategorien. Auf Basis einer Langzeitrekonstruktion von großen Salzwassereinströmen und historischen Wetterdaten identifiziert der Algorithmus zwei unterschiedliche Typen von Einstromereignissen – jeweils mit eigenen atmosphärischen und ozeanografischen Merkmalen. Modell-Simulationen bestätigten diese Cluster und ermöglichen es, ihren jeweiligen Einfluss auf die Sauerstoffversorgung der Ostsee erstmals gezielt zu untersuchen.
Das erste Cluster, von den Forschenden „Classic“ genannt, ist geprägt von einem ausgeprägten Hochdruckgebiet über Skandinavien und dem nordwestlichen Teil der Ostsee – gefolgt von eher moderaten Westwinden. Das zweite Cluster, „Stormy“, zeigt ein anderes Muster: Es beginnt mit einem schwächeren Hochdruckeinfluss über der zentralen Ostsee, dem kräftige bis stürmische Westwinde folgen.
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